Beschluss: abweichender Beschluss

Sodann fasst der Rat der Stadt Esens bei einer Nein-Stimme folgenden Beschluss:


1.

    Der Kurverein Esens-Bensersiel nimmt alljährlich vor Jahresbeginn bei seiner Hausbank einen vorübergehenden Kassenkredit auf, um die Liquidität sicherzustellen. Dies ist richtig und zwangsläufig so, da die entscheidenden Einnahmen erst mit Beginn der Saison fließen. In diesem Jahr kommt hinzu, dass durch die Umbaumaßnahmen in der Therme zur Zeit keine Eintrittsgelder, wohl aber Rechnungen der Handwerker anfallen. Der Rat beschließt daher, einen bei der Stadt aus 2012 bestehenden Kassenkredit in Höhe von 1.000.000,-- € zu nutzen, um auch zu Beginn des Jahres 2013 die Liquidität des Kurvereins sicherzustellen. Zudem können, wie in den Vorjahren, die unter 3. aufgeführten Beträge in einer Gesamtsumme von 320.000,-- € als Vorschuss und im Vorgriff auf den Haushaltsplan 2013 ausgezahlt werden. Die Zinsen für den aufzunehmenden Kassenkredit werden vom Kurverein übernommen.



    2.

    Der Stadtdirektor wird beauftragt, nach Mitteilung der anstehenden Ausgaben bzw. nach Vorlage der Rechnungen entsprechende Beträge kurzfristig freizugeben. Der Betrag von 320.000 € kann unmittelbar nach Beschlussfassung in einer Summe dem Kurverein zur Verfügung gestellt werden.



3.

Die Liquiditätshilfe an den Kurverein wird mit der Bedingung verbunden, dass der Vorstand des Kurvereins bis zur ersten Auszahlung den Beschluss fasst, ein Controlling durch einen von der Stadtverwaltung vorgegebenen Berater zu implementieren. Das Controlling soll durch den Berater so betreut werden, dass der Stadtverwaltung jeweils zeitnah eine unterjährige, mindestens monatliche, bis zum Ablauf der Saison 2013 auch kurzfristigere Planung, Steuerung und Ausblick vorgelegt werden kann. Durch den externen Controller sind die Daten der Finanz-, Ertrags- und Liquiditätsplanung zu entwickeln bzw. zu prüfen und der Verwaltung kommentiert vorzulegen.



    4.

    Der Kurverein Esens-Bensersiel wurde vor rund 60 Jahren in Vereinsform gegründet. Das war notwendig, da der Fremdenverkehr in beiden damals selbständigen Kommunen Esens und Bensersiel nur so gemeindeübergreifend gestaltet werden konnte. Inzwischen sind beide Kommunen zur Stadt Esens zusammengeschlossen worden und der Kurverein hat sich zu einem großen Wirtschaftsunternehmen entwickelt, das kaum noch ehrenamtlich geführt werden kann. Daher wird schon länger vom Landkreis, von Wirtschaftsberatern und Banken empfohlen, die Finanz- und Verwaltungskraft der Stadt Esens zu nutzen, um den für die Stadt Esens so wichtigen Tourismus sicherzustellen und fortzuentwickeln. Das gilt insbesondere im Interesse eines jeden Vermieters, Gewerbetreibenden, der Banken und Freiberufler. Aus diesen Gründen beschließt der Rat seine Bereitschaft, vom Kurverein den wirtschaftlichen Bereich zu übernehmen und als Eigenbetrieb der Stadt Esens weiterzuführen. Der Rat der Stadt Esens trifft diesen Beschluss in der Erwartung, dass die Organe des Kurvereins Esens-Bensersiel (Mitgliederversammlung, Vorstand) kurzfristig entsprechende Beschlüsse fassen werden.

        RM Braatz bedankt sich im Namen aller Mitarbeiter für die vom Stadtrat getroffene Entscheidung.



StD Buß erläutert eingehend die vorliegende Sitzungsvorlage. Der VA hat in seiner Sitzung einstimmig beschlossen, die vorliegende Beschlussempfehlung zu beschließen.


BM Wilbers begrüßt zu diesem Tagesordnungspunkt Herrn Stadtdirektor a. D. Bernard Thüer. Er bittet, Herrn Thüer ein Rederecht einzuräumen. Der Stadtrat stimmt einstimmig zu.


RM Kröger bemängelt, dass die laufende Entwicklung der Finanzen und Baukosten dem Rat zu spät mitgeteilt wurde. Eine Abstimmung gab es nicht. Nach seiner Auffassung hat der Vorsitzende des Kurvereins seiner Informationspflicht nicht Genüge getan. Die Ausführungen von StD Buß sind inhaltlich in Ordnung. Die Mitglieder des Kurvereins müssen, was die Haftung anbelangt, geschützt werden. Die Bürgschaftsgewährung von 2.085.000,00 Euro ist unumgänglich. Eine Neustrukturierung des Kurvereins ist dringend notwendig. Er muss als Eigenbetrieb bei der Stadt geführt werden. Erst im Jahre 2027 werden erstmals schwarze Zahlen geschrieben. Bei der Überprüfung der Kommuna Treuhand wurde die Sanierung des Wellenbades außer Acht gelassen. Diese ist nun schwer zu realisieren. Er ist froh, dass man letztendlich einen gemeinsamen Weg gefunden hat.


Geschäftsführer Braatz erwidert, die Kommuna Treuhand hat in ihrem Bericht klar ausgedrückt, dass der Kurverein auch kurzfristig schwarze Zahlen schreiben kann. Dies ist durch die sinkenden Zinsbelastungen und Abschreibungen möglich. In den Berechnungen der Kommuna Treuhand sind jeweils 250.000,00 Euro jährlich für Instandhaltung und Reparaturen enthalten. Zusätzlich können 150.000,00 Euro für Neuinvestitionen jährlich genutzt werden. Zur Haftungsfrage entgegnet StD Buß, dass in einem Verein der Vorstand haftet. Erst wenn die Rechtsfähigkeit verloren geht, entsteht aus dem Verein eine OHG, wonach dann erst die Mitglieder haften.


Stv. BM Mammen erläutert, dass der Fremdenverkehr für diese Region der wichtigste Wirtschaftszweig ist. Er ist dem Kurverein dankbar für die hervorragende Arbeit in den letzten Jahrzehnten. Im Stadtrat standen stets die Bürgschaften im Fokus der Diskussion. Der Kurverein ist seinen Verpflichtungen immer nachgekommen, daher kann man dem Kurvereinsvorsitzenden nicht die alleinige Schuld zuweisen, zumal die Beschlüsse im Kurvereinsvorstand stets einstimmig gefasst wurden. Es ist leider nicht zeitig und zielgerichtet informiert worden. Das waren sicherlich Fehler. Mit den Jahren werden die Einrichtungen weiter renovierungsbedürftig. Der Campingplatz ist in Europa heute führend. Die Bauarbeiten für die Therme liegen im Zeitplan. Der zweite Bürgschaftsantrag kommt hoffentlich zu einem positiven Ergebnis. Die Zukunft des Fremdenverkehrs ist unumgänglich, daher muss die Stadt dem Kurverein helfen. Die Problemfelder zwischen dem Kurverein und der Stadt bieten nach seiner Sicht auch eine große Chance. Das Schreiben des Mitgliederbeirates signalisiert, dass sich die Mitglieder zukünftig einbringen wollen.


RM Hedlefs erwähnt, die EBI ist in dieser Frage gespalten. Der Fremdenverkehr ist für unsere Region sehr wichtig. Sie wird dieser Vorlage jedoch heute nicht zustimmen, wenn nicht die Garantie erfolgt, dass die Finanzierung über 1.000.000,00 Euro gesichert ist. Der Kreis wird den zweiten Bürgschaftsantrag sicher ausgiebig prüfen. Bis heute konnte kein Liquiditätsplan, den sie bis zum 15.02.12 erbeten hat, vorgelegt werden. Zudem wurde ein Controller noch nicht eingesetzt. Nach ihrer Auffassung wurden die Prämissen nicht erfüllt. Hier liegt keine Gegenfinanzierung vor. Fraglich ist, ob der Zuschussbedarf in Höhe von 1.300.000,00 Euro ausreichend ist. Nach ihrer Auffassung werden hier Steuergelder unsicher angelegt.


RM Staudacher bemerkt, der alte Kurverein habe über ein halbes Jahrhundert weitgehend kostenneutral gearbeitet. Nach seiner Auffassung lag das daran, das der Kurverein durch die Besetzung des Vorsitzenden mit dem Stadtdirektor eng an die Stadt angebunden war. Dies ist heute nicht mehr so. Diese Situation wäre nach seiner Auffassung so nicht entstanden. Die Ausgliederung des Stadtdirektors aus dem Kurvereinsvorstand ist nicht geglückt.


RM Reents stellt fest, dass sich leider nicht vorhersehen lässt, welche Entscheidung die richtige ist. Er hätte sich ab Sommer des letzten Jahres einen anderen Verlauf gewünscht, um nicht so unter Zeitdruck zu arbeiten. Die Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro Garcia und Seele ist nach seiner Sicht aufzuarbeiten. Den Stadtdirektor nicht mehr in die Vorstandsarbeit einzubinden, ist aus seiner Sicht gescheitert. Die Struktur des Vereins muss unbedingt geändert werden. Dies wird auch vom Mitgliederbeirat positiv gesehen.


RM Nerschbach erwähnt, heute muss eine Gewissensentscheidung getroffen werden. Er hatte seinerzeit Bedenken, weil nicht genügend Informationen vorlagen und unterschiedliche Aussagen bestanden. In der letzten VA-Sitzung wurden viele Fragen beantwortet. Da es keine Alternativen gibt, wird er dieser Vorlage zustimmen.


Stv. BM Willms weist darauf hin, dass der Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig in unserer Region ist. Die Einrichtungen müssen erhalten und betrieben werden, daher wird auch er dieser Vorlage zustimmen. Er bedauert die Aussagen von RM Kröger, die er für kleinkarierte polemische Parteipolitik hält. Natürlich ist eine Verunsicherung vorhanden, der Tourismus darf jedoch nicht gegen die Wand gefahren werden. Zudem hat RM Staudacher alle Beschlüsse im Kurvereinsvorstand stets mitgetragen.


Sodann bittet der Ehrenbürger der Stadt Esens, Herr Stadtdirektor a. D. Thüer, um das Wort. Nach seiner Ansicht geht es heute um eine Vertrauensherstellung. Die Bürger dürfen nicht verunsichert werden. Der Kurverein hat mehr als 60 Jahre die Aufgabe der Stadt Esens übernommen, nämlich den Fremdenverkehr zu betreiben. Nach seiner Auffassung handelt es sich heute um eine historische Ratssitzung für die Stadt. Die Rechtsform des Kurvereins ist sicherlich nicht mehr zeitgemäß. Nach seiner Auffassung stellt sich keine Haftungsfrage, da die Stadt den Kurverein nicht insolvent gehen lässt. Oberstes Ziel muss es sein, dass mit der nun beginnenden Saison die Therme wieder angeboten wird und der Fremdenverkehr reibungslos läuft. Die Stadt unterbreitet ein Angebot, die Vereinsmitglieder müssen in den Strukturfragen mitgenommen werden. Aus diesem Grund hat er sich auch angeboten, zwischen den Mitgliedern des Kurvereins und der Stadt zu vermitteln. Der gute Ruf Esens-Bensersiels darf nicht beschädigt werden.


RM Staudaucher bemerkt zu den Aussagen von stv. BM Willms, dass er nicht den Kurvereinsvorsitzenden persönlich angegriffen habe, sondern die Politik der SPD kritisiert habe.